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15.11.2017 /  Gerhardt Schmidt /  0 Kommentare

Medientraining – für Führungskräfte unverzichtbar

„Das Fernsehen hat sich angekündigt. Die wollen ein Interview von mir.“ Beim ersten Mal löst der Anruf eines Senders zunächst die blanke Euphorie aus: Die fragen mich. Endlich. Jetzt haben sie mich entdeckt. Fernsehen – das sehen Millionen. Ich werde bekannt. Klasse.

Ja, ein TV-Auftritt kann eine Chance sein. Aber in den meisten Fällen bleibt Enttäuschung zurück. Ein Interview wurde angefragt. Normal. Aber haben Sie sich schon mal gefragt, wann denn mit einem Menschen, der nicht gerade Minister, Spitzenkandidat, Wirtschaftsboss, Top-Sportler oder Ausnahme-Künstler ist, ein Interview gesendet wurde? Gebraucht wird – und das ist Fakt – in den meisten Fällen ein O-Ton, eine Aussage. Das ist ein Satz, eine kurze Stellungnahme zu einem aktuellen Ereignis.

Die Ankündigung eines möglichen TV-Auftritts macht – auch nach mehr als 60 Jahren aktiver TV-Geschichte in Deutschland – Führungskräfte immer noch blind vor Begeisterung. Es wird nicht gefragt. Gefragt wird allenfalls, aber höchst selten, von welchem Sender, von welcher Redaktion das Team kommt. Die ganz normale und sich ganz von selbst stellenden Frage: Für welche Sendung genau brauchen Sie meine Aussage und „Wann soll das gesendet werden?“ hören TV-Teams so gut wie nicht. Hauptsache Fernsehen. Ja, es ist nicht übertrieben: Bei vielen tausend Interviews, die ich als TV-Korrespondent und Studioleiter mit Spitzenpolitikern und bedeutenden Persönlichkeiten führen durfte, wurde ich höchst selten überhaupt gefragt, um welches Thema es denn überhaupt gehen sollte. Meistens kam die Frage erst, wenn das Interview schon im Kasten war.

Vorbereitung auf die Inhalte? Nein. Der Angefragte weiß doch alles. Warum würde er denn sonst überhaupt vom Fernsehen gefragt?

Die Enttäuschung nach dem gesendeten Erst-Auftritt ist meistens ernüchternd. Ja. Dann gibt es sogar Beschwerde-Anrufe: „Warum haben Sie denn das gesamte Interview nicht gesendet?“ Antwort: „Weil wir uns auf den wichtigsten und wesentlichen Teil Ihrer Aussage konzentriert haben.“ Es ist eine Tatsache: Bei den meisten Anfragen von Hörfunk und Fernsehen – bei Printmedien ist es kaum anders – geht es nur um ein kurzes, klares, eindeutiges Statement.

Bis heute frage ich mich immer wieder: „Warum bereiten sich die Menschen, die die Chance bekommen, im TV aufzutreten, nicht bestens auf diesen Auftritt vor? Warum begeben sie sich freiwillig auf gefährliches Glatteis? Warum fragen sie nicht ausführlich danach, was von ihnen gewollt und erwartet wird und wofür das Gesagte verwendet wird.

Und es kommt noch schlimmer. Die wenigsten Interviewpartner, die ich kennenlernen durfte, hatten sich jemals mit Frage- und Antworttechnik beschäftigt, hatten sich jemals Gedanken darüber gemacht, dass es keinen Sinn macht, zwei Minuten – ohne Atem zu holen – zu sprechen. So etwas kann nicht und wird nicht gesendet. Kaum jemand hat mich jemals gefragt, wer denn möglicherweise außer ihm selbst noch zum selben Thema interviewt wird. Warum?

Gute Journalisten lassen bei wichtigen Themen, vor allem im politischen Bereich, nicht nur eine Seite zu Wort kommen. Eine sehr alte journalistische und juristische Ethik-Position lautet: „Audiatur et altera pars“, zu deutsch: Höre stets die andere Seite. Allein deshalb ist es selbstverständlich, dass ein Befragter nicht allein mit seiner Position in einem TV-Beitrag auftaucht, vor allem dann nicht, wenn es um wirklich umstrittene Themen geht.

Welche Hilfe bietet die medienstatt für alle Führungskräfte an? Medientraining. Und bitte nicht erst dann, wenn die Anfrage des Senders bereits vorliegt. Medientraining ist notwendige Vorbereitungsarbeit für jede Persönlichkeit, die Ziele verfolgt, gewählt werden oder im Mittelpunkt stehen möchte oder Verantwortung übernehmen will oder muss.

Medientraining ist individuell. Und, das muss auch gesagt werden: Es ist anstrengend, weil es  offen und ehrlich laufen muss, unter möglichst realistischen Bedingungen. Dieses Training gibt es auch nicht nur für Interviews und Statements, sondern ganz besonders für Talkshows. Aber immer noch begeben sich – Entschuldigung, aber es muss ausgesprochen werden – Führungskräfte, die kommunikative Naivlinge sind, völlig unvorbereitet, getragen von Selbstüberschätzung, in Talkshows.

Noch ein wichtiger Punkt: Unter den so genannten Medientrainern in Deutschland gibt es leider auch Blender und Wichtigtuer. Qualifiziertes Medientraining kann nur bieten, wer selbst als Journalist für Printmedien, vor allem aber für Hörfunk und Fernsehen, gearbeitet hat, Erfahrungen mit jeder Sendeform mitbringt, häufig genug selbst in unterschiedlichen Situationen interviewt hat, aber auch selbst interviewt worden ist. Und wer als Führungskraft trainiert werden möchte und diese Qualifikationen abfragt, wird nur wenige echte Medientrainer finden.

Gerhardt Schmidt
Über den Autor

Gerhardt Schmidt

Dozent - Berater - Moderator - Coach - Geschäftsführer medienstatt GmbH

Er war Pressesprecher, Chefredakteur, Hörfunk- und TV-Redakteur, TV-Studioleiter, Lehrbeauftragter an div. Hochschulen, ist heute Kommunikations- und Politikberater, Redenschreiber, Rhetorik- und Medientrainer, gibt Seminare für Medien- und Kommunikationsarbeit und hält Vorträge für Wirtschaft, Verbände und Politik.

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